LiS stellt Werke junger Autor*innen vor
Auch in diesem Frühsommer gab es eine Wiederauflage des beliebten Formats für Lese-Fans: Spannende Buchvorstellungen im Aegidienberger Café Schlimbach in gemütlicher Atmosphäre. bei Kaffee und Kuchen.
Die am vergangenen Wochenende präsentierten fünf Romane wurden von den Mitgliedern des Vereins „Literatur im Siebengebirge“ (kurz LiS) vorgestellt und standen diesmal ganz unter dem Motto „Junge Stimmen unserer Zeit – Autoren U40.“
Mit einer sehr intensiven Lektüre, dem spektakulären Debütroman von Tess Gunty „Der Kaninchenstall“ eröffnet Eva-Maria Gerstkamp den Lese-Nachmittag. Protagonistin des Werks ist die spätpubertäre und extrem aufgeweckte Blandine, aufgewachsen in einer ehemaligen Industriestadt in Indiana, im sogenannten amerikanischen Rust-Belt. In einem heruntergekommenen Appartmentkomplex (dem „Kaninchenstall“) lebt sie Wand an Wand mit allerlei skurrilen Persönlichkeiten, die als Nebenfiguren im Roman auftauchen. Sehr besonders: Blandine entwickelt eine Obsession für Mystikerinnen des Mittelalters, insbesondere für Hildegard von Bingen. Insgesamt schafft die junge Autorin ein gelungenes, vielfältiges, aber auch provozierendes Gesellschaftsporträt, das 2022 mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde.
Tess Gunty
Der Kaninchenstall
Kiepenheuer & Witsch 2023
ISBN 9783462003000Eva-Maria Gerstkamp, Silke Kornstädt, David Jacobs, Anne Alfen (v.l.)
Mit Zugvögeln und Wölfen beschäftigen sich die beiden Romane von Charlotte McConaghy, vorgestellt von Anne Alfen.
Franny Lynch waren Vögel schon immer näher als Menschen und so ist es nur konsequent für die Ornithologin, den letzten Küstenschwalben bis zur Antarktis zu folgen. Auf einer Reise durch lebensbedrohliche Naturereignisse sind die Tiere ihr Kompass. Der Roman ist nicht nur eine Ode an bedrohte Geschöpfe, sondern beschreibt auch eine Reise zu sich selbst und die Wege, die wir gehen, besonders für die Menschen, die wir lieben.
Charlotte McConaghy
Zugvögel
Fischer 2021
ISBN: 9783596705207 (Taschenbuch)
Um bedrohte Tiere, die Wölfe, geht es auch im zweiten Roman von Charlotte McConaghy, der ebenfalls als Taschenbuch erhältlich ist. Die Wissenschaftlerin Inti Flynn kommt nach Schottland, um Wölfe in den Highlands wiederanzusiedeln. Die wilden Tiere bedeuten für sie die einzige Rettung der zerstörten Landschaft. Die Biologin hat sich von den Menschen zurückgezogen, sie ist hochsensibel und besitzt die seltene Fähigkeit, Gefühle von anderen Lebewesen körperlich nachzuempfinden. Als nach einem Todesfall eine Hetzjagd auf ihre Tiere beginnt, muss sie sich ihren Ängsten stellen: Ist der Wolf oder der Mensch die Bestie in den Wäldern? Und wird sie je wieder menschliche Nähe zulassen können – oder von der Wildnis verschlungen werden, die sie retten will?
Charlotte McConaghy
Wo die Wölfe sind
Fischer 2023
ISBN: 978-3-596-70642-6 (Taschenbuch)
Einen vom Feuilleton vielgepriesenen Roman hat sich die Leiterin der Dollendorfer Bücherstube, Silke Kornstädt, für eine nähere Vorstellung ausgewählt. Das Buch „Malnata“ von Beatrice Salvioni hielt sich wochenlang auf den italienischen Bestsellerlisten und wurde bereits in 35 Sprachen übersetzt. Italien wird sich im Oktober 2024 als Gastland auf der Frankfurter Buchmesse präsentieren und auch dort wird dieses bemerkenswerte Buch sicher eine wichtige Rolle spielen.
Im Debütroman Salvionis geht es um eine außergewöhnliche Freundschaft von zwei Mädchen in der Lombardei im Jahre 1935. Dort begegnet Francesca Maddalena, die von allen im Ort nur »Malnata« genannt wird: „Die Unheilbringende“. Francesca – zu Konformität und Gehorsam erzogen – ist sofort fasziniert von dem barfüßigen Mädchen, dessen Hände immer schmutzig sind, die Augen voller Trotz. Entgegen allen Warnungen freundet sich Francesca mit Maddalena an und lernt mit der Zeit, den Lügen der Erwachsenen zu misstrauen.
Ein aufsehenerregender Roman über die Macht weiblicher Selbstbestimmung und eine Hymne an die Kraft der Freundschaft.
Beatrice Salvioni
Malnata
Penguin Verlag 2024
ISBN: 978-3-328-60271-2
Den literarischen Abschluss des Nachmittags bildet Matthias Jüglers Roman um das bewegende Porträt eines traumatischen Verlustes, vorgestellt vom LiS-Vorstandsvorsitzenden, David Jacobs. Die Handlung des Buches beruht auf wahren Recherchen zum Thema Zwangsadoptionen in der DDR und erstreckt sich auf einen Zeitraum von insgesamt 40 Jahren. Das Ehepaar Hans und Katrin verliert in einer Klinik nahe Leipzig direkt nach der Geburt ihr Kind. Katrin, die von Anfang an Zweifel am Tod des Kindes hegt, stirbt Jahre später und es wird klar, dass sie mit ihren Befürchtungen womöglich recht hatte. Bei seinen Recherchen, die ihn tief in die Geschichte der DDR führen, stößt Hans auf Ungereimtheiten und eine Mauer des Schweigens. Klären kann er all seine Fragen in Zusammenhang mit dem Tod des Säuglings nicht, doch der Gedanke daran, in einem entscheidenden Moment seines Lebens versagt, etwas versäumt, einen Fehler begangen zu haben, lässt ihn künftig nicht mehr los. Da klingelt eines Tages das Telefon und sein Sohn ist am Apparat…Ein feinfühliges Werk über ein gewaltiges Unrecht in der ostdeutschen Geschichte.
Matthias Jügler
Maifliegenzeit
Penguin Verlag 2024
ISBN: 978-3-328-60289-7
(Quellen: Auch tw. Auszüge aus Klappentexten der Romane)
Die Leseempfehlungen des kurzweiligen Nachmittags wurden mit viel Interesse aufgenommen und alle Romane konnten am Büchertisch, zusammengestellt von Verena Groß (Bücherstube Aegidienberg), direkt käuflich erworben werden.
Fotos u. Text: Andrea Usadel