Vom Zauber des schönen Scheins

„Schöne Mädchen und Jünglinge, reizende Weiber in aller Pracht eines üppigen Daseins, in ruhigen Situationen, sind die Gegenstände seiner Gemälde, […] Schon in seinen ersten Bildern überwand S. die größten Schwierigkeiten der Malerei, er bewährte sich als Meister in der Darstellung des Nackten, als Fleischmaler ersten Ranges. S. war vor allem Colorist, Colorist im Sinne Tizian’s, jedoch kein Nachahmer dieses Meisters, seine Darstellungsweise ist ihm ganz eigenthümlich.“

Aus Moritz Blanckarts: Allgemeine Deutsche Biographie, biografisches Nachschlagewerk, das 1875–1912 in 56 Bänden herausgegeben wurde. Darunter 30 Artikel von Blanckarts, deutscher Historienmaler der Düsseldorfer Schule sowie Künstlerbiograf, Dichter und Dramatiker. Zitiert nach Wikipedia

Der hier genannte S. ist einer der ersten Schüler von Wilhelm Schadow, mit dem dieser seit 1827 in der Düsseldorfer Privatschule von Schadow arbeitete und ihn auch auf diversen Reisen bis hin nach Italien begleitete. Carl Ferdinand Sohn, so sein vollständiger Name, wurde 1805 in Berlin geboren und starb 1867 in Köln. Das Werk der beiden Leonoren stammt aus dem Jahr 1836.

Nun ist es verwunderlich, das Sohns Werk „Die beiden Leonoren“ als titelgebendes Motiv für die Ausstellung „Düsseldorfer Künstler der Romantik“ im Königswinterer Siebengebirgsmuseum (verlängert bis zum 30. Juni) fungiert, außer vielleicht, dass es sich, den Worten des Biographen Blanckarts nach, um „Schöne Mädchen“ handelt, die in an aller Pracht eines üppigen Daseins, in ruhiger Situation“ verharren.

Tatsächlich handelt es sich bei den beiden Leonoren um zwei Damen des gehobenen, wenn nicht sogar höchsten Adels italienischer Provenienz, denn Sohn portraitiert in diesem Gemälde Leonore, Gräfin von Sanvitale, und Eleonore, Prinzessin von Este. Wer mehr wissen möchte, über die beiden Damen, die im 16. Jahrhundert den höchst einflussreichen italienischen Adelshäusern aus dem Stamm der d´Este angehörten, sei auf Goethes Torquato Tasso verwiesen, der, in seiner Genialität, beide adeligen Damen in Verbindung mit eben jenem Torquato Tasso brachte, aller Zeitunterschiede zum Trotz. Gleichzeitig diente sein Werk dem Maler Sohn als Ideengeber seines Gemäldes der beiden Leonoren.

Aber, was soll’s. Schöne Mädchen sind’s auf jeden Fall, die, explizit mit einer Handbewegung der vom Betrachter aus gesehen rechten Leonore, die Kulturinteressierten einladen, die Ausstellung „Düsseldorfer Künstler der Romantik“ im Siebengebirgsmuseum Königswinter zu besuchen und sich dabei behutsam von der inspirierenden Vorstellung begleiten zu lassen, in die Welt der romantischen Malerei der Düsseldorfer Malerschule einzutauchen.

Aber, und damit seien die Kunstinteressierten vorgewarnt, nicht nur schöne Mädchen und Jünglinge haben sich die Künstler als Vorbild für ihre Werke ausgesucht, es geht auch hier und da rabiat zu. Schurken und Gauner sind ebenso Gegenstand der Motive der Künstler. Und sorry, aber es werden Werke von ausschließlich Männern, die sich dem romantischen Einfluss zu dieser Zeit nicht entziehen konnten, gezeigt. Aber das ist nun mal nicht die Schuld des Siebengebirgsmuseums!

Die Düsseldorfer Malerschule ist nun einmal eine interessante und beileibe nicht nur lokal bedeutende Künstlergemeinschaft, die sich in ihrem Gründungsstadium um ihren charismatischen Gründer Schadow versammelt hat. Dabei waren sie nicht nur von den romantischen Erzählungen der Zeit begeistert und inspiriert. Was vielleicht einen noch größeren Einfluß auf sie hatte, war ihr stark ausgeprägter Hang zum Katholizismus. Einer ihrer herausragenden Vertreter war Franz Ittenbach, der in der Königswinter Altenburger Gasse geboren wurde und zu einem der einflussreichsten Maler der sogenannten Gruppe der Nazarener innerhalb der Düsseldorfer Malerschule wurde. Eines seiner Hauptwerke ist seine Beteiligung an der Ausmalung der Remagener Apollinaris Kirche. Auch in der Ausstellung im Siebengebirgsmuseum ist er vertreten.

Bald jedoch schon expandierten Gedanken, Sujets und Verbindungen weit über den engen Kreis um Düsseldorf hinaus in die Welt und spannten mit den Realisierungen ihrer Vorstellungen den Bogen zwischen den Polen Biederkeit, Frömmelei, Romantik, Historien- und Landschaftsdarstellungen bis hin zu den modernen Auffassungen des beginnenden 20 Jahrhunderts in den Bereichen PlainAir Malerei, die sich andernorts in Frankreich etablierte.

Auch reichte die Vorstellung, dass Frauen künstlerisch tätig sein konnten, nicht all zu weit. Selbst wenn die Töchter der höheren Gesellschaft durchaus von den Akademieprofessoren im Zeichnen unterrichtet wurden, es blieb, wie auch in der Literatur der damaligen Zeit, dem männlichen Teil der Gesellschaft vorbehalten, sich künstlerisch zu exponieren.
Die Auswahl der im Siebengebirgsmuseum ausgestellten Werke spannt einen weniger breiten Bogen sondern orientiert sich an den Fixpunkten Künstlerfreunde, Landschaft, Poesie und Realität sowie Räuber, Schmuggler und Wilderer und kommt somit mit Letzterem dem Standort des Museums am Fuße des Siebengebirges nahe. Beachtenswert ist die durchgängige hohe technische Qualität, mit der die Künstler ihre Werke schufen (s.o. die Anmerkung Blanckarts, der Sohn sogar mit Tizian vergleicht, auch wenn er Letzteren doch noch höher einstuft).

Jenseits der vielleicht als kitschig angesehenen Motive entsprachen sie jedoch dem Zeitgeist und stellen zudem einen Spiegel der selbst heute noch anzutreffenden Vorstellung von Romantik im Allgemeinen und Rheinromantik im Besonderen dar. Unabhängig davon, ob zum Beispiel „der Knabe vom Berg“ von Andreas Johannes Müller auf einem Gipfel der Sieben Berge steht oder die beiden Leonoren vor einer idealisierten Landschaft Campaniens sich ihrer Zuneigung versichern. Lassen Sie sich von der Einladung der beiden Grazien verzaubern, denn im Sinne der Ausstellung ist das Rheinland überall. Fast.

Düsseldorfer Künstler der Romantik
Siebengebirgsmuseum Königswinter
Kellerstraße 16
Verlängert bis 30. Juni 2024
siebengebirgsmuseum.de
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 14 – 17 Uhr
Samstag 14 – 18 Uhr
Sonn- und Feiertage 11 – 18 Uhr
Eintritt 5 Euro, ermäßigt 2.50 Euro

Rolf Thienen

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